Tür an Tür - Winter 2020
UNSERE MIETER Der Verfall kommt schleichend, bringt anfangs nur belanglose Fehlleistungen hervor, bis man sich eines Tages mit Leberwurst die Zähne putzt oder vergessen hat, dass dieser Besucher dort der eigene Sohn ist. Die Krankheit kann jeden treffen und auch ungeahnt früh im Leben eintreten. Erst 66 Jahre alt ist die der- zeit jüngste Bewohnerin der Demenz-Wohngruppe in Hecking- hausen. „Wir hätten Platz für zwölf Personen“, sagt Madlen Köhler. Aber nur drei Damen sind es aktuell. Nicht weiter ver- wunderlich, denn die Etage im GWG-Eckhaus an der Hecking- hauser Straße wurde erst Anfang Oktober nach dem Auszug der Kurzzeitpflege Honigstal übernommen. Länger besteht eine ähnliche Wohngemeinschaft im GWG-Quartier am Unteren Grifflenberg, die seit April 2018 von Werbeck betreut wird. DAMENÜBERSCHUSS IN DERWOHNGRUPPE. Interesse an denWohnplätzen bestehe hinreichend, sagt Köhler, Bedingungen für eine Aufnahme seien lediglich die ärztlich dia- gnostizierte Demenz und die Anerkennung der Pflegestufe zwei. Ein Herr stehe aktuell auf der Warteliste. Auch am Grifflenberg liegt ein deutlicher Damenüberschuss vor: neun zu eins. Das lässt allerdings keinen Rückschluss darauf zu, dass Frauen etwa häufiger von Demenz betroffen wären, vielmehr spielt dabei der Zufall mit. Geschlechtsspezifisch scheint hingegen – noch – die Tatsache, dass die Damen in keiner der beidenWGs einem Hobby nachgehen. „Dies ist wohl die letzte weibliche Generation, die noch vorrangig Hausfrau war.“ Auch die 75 Jahre alte Monika R. schaut bei der Frage nach ihren Alltagstätigkeiten etwas ratlos drein. Sie erzählt sehr wach von einem kürzlich überstandenen Krankenhausaufenthalt, von ihrer einstigen Bürotätigkeit und vom schönen Leben früher in Wichlinghausen. Lesen? Nein, da schlafe sie lieber ausgiebig. „Ich muss noch dringend zum Friseur“, fällt ihr ein. Und bei der Erzählung von ihren Kindern und Geschwistern geraten die Verwandtschaftsverhältnisse ein wenig durcheinander. Gut gehe es ihr im neuen Zuhause, die Unterhaltung mit den beiden anderen Bewohnern gefalle ihr. Aber die eine der beiden wolle ja leider gar nichts mehr machen. „Ich mache weiter, so lange es geht.“ Wie ein Bücherregal, aus dem nach und nach Bücher fallen. So beschreibt Madlen Köhler, Leiterin der Demenz-Wohngemeinschaften beim Pflegedienst Werbeck, den allmählichen Verfall mentaler Leistungen. DEMENZ-WOHNGEMEINSCHAFTEN 19 Fotos:Uwe Schinkel Matthias Keller, Dipl.-Sozialarbeiter, Sachgebietsleiter Soziales Immobilienmanagement und Forderungsmanagement GUT WOHNEN – EIN LEBEN LANG. „Die bekannte und gut angesehene Kurzzeitpflegeeinrichtung Honigstal e.V. in der Heckinghauser Straße musste nach 15 erfolgreichen Jahren leider ihre Türen schließen. Wir wollten als Anschlussnutzung ein Angebot für demenziell erkrankte Menschen entwickeln, als Alternative zum Pflegeheim. Denn: Es ist uns ein echtes Herzensanliegen, für jede Lebensphase ein passendes Zuhause anbieten zu können.“
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