Tür an Tür - Winter 2023

21 Bauen und Modernisieren Fotos: Uwe Schinkel „Graue Energie“ – ein Begriff, der etwas unter dem Radar läuft und dennoch immense Bedeutung für Kalkulation und Planung im Bauwesen hat. Er bezeichnet in diesem Fall die in Gebäuden über einen langen Zeitraum gebündelte Energie, die für Bau, Herstellung, Transport und Entsorgung eingesetzt wird. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden genügt es also nicht, allein einen Blick auf deren Energieeffizienz zu werfen. Auch die Dauer der Gebäudenutzung hat maßgeblichen Einfluss auf die Energiebilanz. Beim Zukunftsquartier Wohnpark Schellenbeck sieht man auch deshalb ganz genau hin. Ein neues Kleid, das dämmt. Die gwg-Siedlung an der Agnes-Miegel-Straße ist baulich gewiss nicht auf der Höhe der Zeit. Doch die vier Hochhäuser und fünf Riegelbauten aus den späten 60er-Jahren binden eine beachtliche Menge an grauer Energie. Architekt Andreas Georg Hanke von der Stadtbildplanung Dortmund GmbH lobt, dass die gwg auch diesen Aspekt einbezieht, wenn sie ab 2024 eine energetische Sanierung vornehmen wird, statt Abriss und Neubau einzuleiten. Kern der Modernisierungsmaßnahmen ist der Bau einer gläsernen Vorhangfassade, die Wärmeverluste reduzieren und zusätzlichen Wohnraum schaffen wird. Dabei handelt es sich um ein innovatives Konzept des französischen Architektenduos Lacaton-Vassal – welches im Fall des Wohnpark Schellenbeck enorme Kreise zieht. Diese Möglichkeit ergibt sich, da die bestehenden Balkone aufgrund ihres technischen Zustands entfernt werden müssen. Neue Statik macht temporären Auszug erforderlich. Die umlaufenden Balkone der Hochhäuser galten einst als zukunftsweisend. Ohne Trennwände gesetzt, sollten sie das Zusammenleben der Bewohner fördern. Doch die Rechnung ging nicht auf. Nicht zuletzt, da die geringe Tiefe der Balkone nicht zu längeren Aufenthalten einlädt. Mag es nun dem Laien als schnelle Lösung erscheinen, die betagten Balkone einfach abzureißen, so stoßen Fachleute wie Hanke dabei auf ein Problem: „Die Böden der Balkone und der Wohnungen bilden eine Einheit. Man kann sich das wie ein Sprungbrett vorstellen, bei dem eine Belastung vorn zur Biegung im hinteren Teil führt. Nimmt man die Balkone weg, gerät die Statik aus dem Lot. Als Gegenpol muss man daher in den Wohnungen die Decken ausfräsen und dort Bänder einziehen.“ Mut zur zukunftsfähigen Lösung. Den Aufwand und die damit verbundene Belastung durch Schmutz und Lärm kann man sich ausmalen. „Wir widmen uns mit größter Sorgfalt der Fragestellung, was für unsere Mieterinnen und Mieter zumutbar ist“, versichert Thomas Henseler, gwg-Teamleiter im Immobilienmanagement. Henseler unterstreicht damit, dass sich die gwg ihrer sozialen Verantwortung bei der Durchführung der Modernisierungsmaßnahme bewusst ist – und begründet in diesem Zuge, weshalb die gwg aktuell ein Konzept für den übergangsweisen Leerzug der Gebäude entwickelt. Dass auch dieser mit Belastungen für die Mieter verbunden ist, dessen ist man sich bei der gwg bewusst. In den insgesamt 318 Wohnungen gibt es viele Mieter der ersten Stunde, die zufrieden beinahe ihr ganzes Leben in der Siedlung verbracht haben. Etwaige Bedenken lassen sich also nachvollziehen. Bei vergleichbaren Modernisierungsprojekten in anderen Städten zeigt sich jedoch, dass rückkehrende Mieter am Ende sehr glücklich mit dem zusätzlichen Komfort ihres neuen alten Zuhauses sind. Moderne Bäder, optimierte Grundrisse, zusätzlich gewonnener Wohnraum, Barrierefreiheit – das und mehr werden die sanierten Häuser der Siedlung in Nächstebreck zu bieten haben. Zu betonen ist, dass keinem Mieter gekündigt wird und alle das Recht auf Wiedereinzug behalten. Zudem sorgt die Förderung der Maßnahme mit Mitteln des Landes NRW in zahlreichen Wohnungen für ein nur mäßig angehobenes Mietpreisniveau. Gute Aussichten also für das Zukunftsquartier Wohnpark Schellenbeck! Die Häuser in der Agnes-Miegel-Straße sind aktuell alles andere als zukunftsfähig.

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