Unternehmensbericht 22/23 der gwg wuppertal EINBLICK
4 UNSER VISION-STATEMENT Wir gestalten die nachhaltigen Quartiere der Zukunft — für ein lebenswertes Zuhause.
7 Zuhause in der Zeitenwende. Unsere Welt ist im Wandel. Das ist sie grundsätzlich immer. Die Geschwindigkeit, mit der die angesichts der Klimakrise gebotenen Veränderungen geplant und umgesetzt werden müssen, ist jedoch beispiellos. Inmitten dieser Zeitenwende muss zudem der Balanceakt gelingen, Neues zu wagen und dabei weiterhin ein gutes Leben zu führen. Als größte regionale Vermieterin stellt die gwg sich den damit verbundenen Aufgaben. Als beispielhaft dafür darf das im März 2023 eingeweihte heidter carré gelten. Zum einen genießt der Neubau mit einem Energieverbrauch von nur 55 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs, der Dämmung mit wenig umweltbelastenden Materialien, Fernwärmeanschluss und Dachbegrünung ökologische Vorbildfunktion. Zum anderen findet hier auch die soziale Verantwortung Ausdruck, der sich die gwg in besonderem Maße verschrieben hat. So bietet das Quartier mit 30 barrierearmen, zwischen 50 und 130 Quadratmeter großen Mietwohnungen Platz für verschiedene Wohnbedürfnisse. Eine Kindertagesstätte mit bis zu 65 Betreuungsplätzen im Erdgeschoss sowie ein multimodales Mobilitätsangebot runden das für Wuppertal einzigartige Nutzungskonzept ab. Das heidter carré wird so nicht nur zu einem Zentrum für Familien, sondern auch zu einem neuen, zentralen Ort in Heckinghausen, um welchen herum sich vieles andere entwickeln wird. Bei aller Freude über den Erfolg des Projekts ist es jedoch wichtig, der Realität in die Augen zu blicken: Vorhaben wie diese sind für die Wohnungswirtschaft zukünftig kaum noch realisierbar. In einer Gemengelage aus Zinsanstieg, Inflation, Kostenanstieg für Baumaterial, Fachkräftemangel und Lieferengpässen sind die Preise im Baubereich enorm in die Höhe geschossen. Und zwar auf ein Niveau, welches sich mit sozial verträglichen Mieten nicht ausgleichen lässt. Die Modernisierung von Altbestand rückt dadurch in den Fokus. Für die Politik bedeutet dies, von der reinen Neubauförderung wegzukommen und sich verstärkt dem Erhalt und der Renovierung von Altbauten zu widmen. Auch, weil Neubauten immer mit der Freisetzung riesiger Menge CO2 verbunden sind, was dem Ziel der Dekarbonisierung diametral gegenübersteht. Die bevorstehende Modernisierung des gwg Quartiers AgnesMiegel-Straße hat diesbezüglich großes Potenzial, als Leuchtturmprojekt für Wuppertal und darüber hinaus zu wirken. Eine Großwohnanlage innerhalb weniger Jahre komplett zukunftsfähig zu machen, kann für die Stadt, aber auch für die Wohnungswirtschaft im Allgemeinen als Modellprojekt mit Vorbildfunktion in puncto nachhaltiger Quartiersentwicklung wirken. Die Bedürfnisse der Kund:innen stehen für die gwg auch dabei im Mittelpunkt. Gerade jetzt wächst die Bedeutung von Vermietern, für die nicht Faktoren wie Shareholder Value, sondern die Bezahlbarkeit des Wohnens und ein lebenswertes Umfeld ausschlaggebend sind. Eine Leerstandsquote von 1,7 Prozent Ende 2022 zeugt davon, dass die gwg als soziale Vermieterin den Menschen auch in der Zeitenwende ein attraktives Zuhause bieten kann. Ihr Paul Yves Ramette PAUL YVES RAMETTE, AUFSICHTSRATSVORSITZENDER
8 Entschlossen Richtung Zukunft. Liebe Leserin, lieber Leser, reden wir Tacheles: Die postpandemische Phase sowie die Auswirkungen der Klimakrise und des Angriffskrieges gegen die Ukraine sind auch an der Wohnungswirtschaft nicht spurlos vorbeigegangen. Hinter uns als Unternehmen liegt ein in vielen Belangen forderndes Geschäftsjahr. Zahlreiche kurzfristig zu lösende Aufgaben, fehlende Planungssicherheit und weitere unabwägbare Faktoren haben uns einiges abverlangt. Die Art und Weise, wie wir als Unternehmen, wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Herausforderungen begegnet sind, erfüllt mich mit Freude, Stolz und Zuversicht. Voraussetzung dafür, dass das zurückliegende Jahr trotz allem als erfolgreich gelten kann, ist der besondere Geist, der unserem Unternehmen innewohnt. Dieser „gwg-Spirit“ ist geprägt von fachlicher Kompetenz, einem hohen Maß an Flexibilität und Widerstandsfähigkeit sowie großer Neugier. Er zeigt sich sowohl im Großen, wie der Verabschiedung des Klimapfads 2045, als auch im Kleinen, wie neuen digitalen Angeboten für unsere Kundinnen und Kunden. Er prägt Denk- und Handlungsweisen bei der Prüfung, Planung und Durchführung der verschiedenen Projekte. Sich Herausforderungen zu stellen, statt sich vor ihnen wegzuducken. Die Initiative zu ergreifen, statt abzuwarten. Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, statt sein eigenes Süppchen zu kochen. Mit dieser Haltung gehen wir die Aufgaben entschlossen an, die es zu bewältigen gilt. Auf eine Auswahl davon werfen wir auf den folgenden Seiten einen konzentrierten Blick. So erfahren Sie Wissenswertes über unseren Ansatz bei der Kommunikation und Begegnung mit unseren Kundinnen und Kunden. Wir skizzieren Wege, wie politische Vorgaben zu gesamtgesellschaftlichen Zielen reifen können. Am Beispiel der Agnes-Miegel-Straße beleuchten wir die Bedeutung von Identifikation und sozialer Verantwortung für die Quartiersentwicklung. Über einen Ausflug zu wirtschaftlichen Aspekten der Energiewende sowie die Gestaltung neuer Perspektiven und Kooperationen finden wir schließlich einen Abschluss mit der kurzen Vorstellung von Projekten, die uns im Laufe des letzten Jahres besonders beschäftigt haben. Begleitet werden diese Einblicke in unsere Arbeit von interessanten Beiträgen geschätzter Gäste. Nun wünsche ich Ihnen wertvolle Erkenntnisse und viel Spaß beim Lesen! Herzlichst, Ihr Oliver Zier OLIVER ZIER, GESCHÄFTSFÜHRER
THEMEN, DIE UNS 22/23 BEWEGTEN. Unser Weg in eine nachhaltige Zukunft. INHALT 01 02 03 10 WORUM SICH ALLES DREHT. IM GESPRÄCH MIT DANIEL BRUDER. 14 3 FRAGEN AN NENJA LINDNER. 16 AUF NEUEN WEGEN NEUES WAGEN. IM GESPRÄCH MIT INA TWARDOWSKI. 20 3 FRAGEN AN WOLFGANG RENNER. 22 HERAUSFORDERUNG KLIMANEUTRALITÄT. 24 ES GEHT UM MEHR ALS NUR DIE WURST. IM GESPRÄCH MIT MATTHIAS KELLER. 28 DAS GRILLFEST IN DER AGNES-MIEGEL-STRASSE. 32 SOZIALE VERANTWORTUNG WAHRNEHMEN. 03 UNSER VISION-STATEMENT 04 EDITORIAL AUFSICHTSRAT 06 EDITORIAL GESCHÄFTSFÜHRUNG 04 05 48 DANKE 49 ÜBER DIESES MAGAZIN 49 IMPRESSUM 34 WIR MACHEN STRECKE. IM GESPRÄCH MIT OLIVER ZIER. 38 DIE DIGITALE MISSION. 40 ZUKUNFT. JETZT. 46 3 FRAGEN AN MILAN GAVRIC.
12 13 KOMMUNIKATION UND BEGEGNUNG Worum sich alles dreht. Daniel Bruder, Prokurist und Ressortleiter Immobilienmanagement
14 KOMMUNIKATION UND BEGEGNUNG Aus „Termin“ wird „Besuch“. Der Umbau unseres Kundencenters in der Hoeftstraße ist ein aktuelles Beispiel für diesen Anspruch. Im Zuge der Neukonzeption haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, eine Umgebung und Atmosphäre zu schaffen, in der sich Besucher:innen stets willkommen und wohl fühlen. Wir denken, das ist uns gelungen: Nach der Anmeldung am Empfang überbrücken unsere Gäste nun die kurze Wartezeit wahlweise in der gemütlichen Lounge, im Coffee Point oder, wenn es das Wetter zulässt, auf der Außenterrasse. Von diesen WarteInseln werden sie von ihrem jeweiligen Ansprechpartner abgeholt und in einen der fünf neuen Besprechungsräume geführt. Die vielseitig und speziell nach den Ansprüchen von bspw. älteren Menschen, Familien und Studenten eingerichteten Räume bieten das passende Ambiente für entspannte und zielführende Gespräche. Insgesamt konnten wir auch durch den Einsatz nachhaltig produzierter Materialien und die Auswahl von Farben und Design eine Umgebung schaffen, in der sich Menschen gern aufhalten. „Ihre Meinung bitte!“ Ein weiteres hochaktuelles Thema ist die Modernisierung des Quartiers Agnes-Miegel-Straße. Unsere Kund:innen hier mit einzubinden, ist für uns von großer Bedeutung – so zum Beispiel auch bei der Frage, ob vor dem Beginn der baulichen Maßnahmen ein Leerzug nötig ist oder die Kund:innen in den Wohnungen verbleiben können. Um diese und andere Fragen zu klären, folgen wir einem Kommunikationsplan. Wir vermitteln Informationen über postalische Aussendungen, Broschüren, das Mietermagazin „Tür an Tür“, das Serviceportal, Social Media und einer Projektlandingpage auf unserer Website, aber vor allem auch in persönlichen Gesprächen im Quartier, auf Mieterfesten und auf einer Infomesse. Die dabei ungefiltert gewonnenen Meinungen und Anregungen nehmen wir auf und sehr ernst. Denn für uns ist klar: Entscheidungen dieser Tragweite lassen sich nicht ohne sozialen Fokus treffen – und das trotz oder gerade wegen der Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit des Quartiers. Talk around the Clock. Ja, wir reden viel. Unsere Kund:innen wissen das zu schätzen und wissen immer, an wen sie sich mit ihren Anliegen wenden können. Sowohl das CallCenter als auch der Kundenservice, der Sozialarbeiter, die Teamleiter und die erfahrenen Objektbetreuer im Quartier haben immer ein offenes Ohr und geben jeden Tag ihr Bestes, unseren Kund:innen ein schönes und lebenswertes Zuhause zu bieten – egal, ob es dabei um Energieversorgung, Modernisierung oder Themen des Alltags geht. Auch so vermitteln wir Kund:innen das Gefühl und die Gewissheit, dass sich für uns alles um sie dreht. Daten, Fakten, Expertisen, Analysen, Perspektiven – um weitreichende Entscheidungen hinsichtlich der Unternehmensentwicklung treffen zu können, müssen vielfältige Informationen berücksichtigt werden. Der Fokus bei der Planung von Maßnahmen liegt für uns stets auf den Bedürfnissen unserer Kund:innen. Alles, was wir im operativen Bereich anpacken, richten wir daran aus. „Solar, Fernwärme, Wärmepumpe etc. – wir prüfen für jedes einzelne Quartier sorgfältig: Was ist wo die beste Lösung?“ Daniel Bruder, Prokurist und Ressortleiter Immobilienmanagement
16 17 KOMMUNIKATION UND BEGEGNUNG Fragen an Nenja Lindner. Welche Rolle spielt die Kommunikation im Hinblick auf den „Klimapfad 2045“? „Eine ganz beträchtliche. Vor allem die mit unseren Kund:innen. Ohne sie wird es nicht gelingen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Wir informieren und gehen in den Dialog, wollen alle mitnehmen und ein gemeinsames Gefühl für die bevorstehenden Aufgaben und Veränderungen gewinnen. Wir ziehen letztlich ja alle an einem Strang.“ Wie gelingt der gwg die Kommunikation und wie kommt das bislang bei den Kund:innen an? „Wir setzen da weiterhin auf eine aktive und offene Kommunikation. Und das kommt gut an, denn jede und jeder ist in irgendeiner Form betroffen. Wir rennen also häufig offene Türen ein und erfahren positive Resonanz. Um möglichst alle zu erreichen, setzen wir auf einen crossmedialen Ansatz und auf das persönliche Gespräch. Wichtig ist uns dabei auch, die Jüngsten mit im Blick zu haben, denn wir wissen, dass sie die älteren Generationen positiv beeinflussen können. So bringen wir zum Beispiel schon den Kleinen in unserem Mietermagazin auf spielerische Weise das Energiesparen näher.“ Wie begegnen Sie Stimmen, die Sorge bezüglich der Bezahlbarkeit von Wohnraum äußern? „Dass wir es uns zur Aufgabe gemacht haben, unsere Quartiere zukunftsfähig zu gestalten und damit für ein langfristig lebenswertes Zuhause zu sorgen. Und mit der notwendigen Ehrlichkeit, dass die erforderlichen Investitionen in klimagerechtes Wohnen nicht zum Nulltarif darzustellen sind. Gleichwohl gehört für uns die Bezahlbarkeit von Wohnraum zu den wichtigsten Zielen und wir suchen trotz großer Herausforderungen permanent Mittel und Wege, diese sicherzustellen.“ Nenja Lindner, Stabsstellenleiterin Marketing und Unternehmensentwicklung
18 19 Ina Twardowski, Referentin Klima- und Umwelt- management VOM GESETZ ZUM GESELLSCHAFTSZIEL Auf neuen Wegen Neues wagen.
20 21 „Damit die Energiewende gelingt, braucht es eine neue Fehlerkultur. Nicht alles, was man anschiebt, wird sich am Ende durchsetzen.“ Ina Twardowski, Referentin Klima- und Umweltmanagement VOM GESETZ ZUM GESELLSCHAFTSZIEL Vorsprung durch Weitblick. Geht es um Themen wie nachhaltiges Bauen, klimaschonendes Bewirtschaften und energieeffizientes Wohnen, kommt der Wohnungswirtschaft naturgemäß eine Vorreiterrolle zu. Auch die gwg hat den Weg zur Energiewende schon betreten, weit bevor diese auf dem politischen Tapet lag und ins gesellschaftliche Bewusstsein vorgedrungen war. Nicht von ungefähr verfügen drei Viertel unserer Gebäude schon heute über eine entsprechende Dämmung; auch in puncto Verbrauchsreduzierung, Digitalisierung und Einsatz moderner Technologien konnten wir bereits große Schritte in die richtige Richtung machen. Mit der Festlegung gesetzlicher Rahmenbedingungen und gezielter Förderung und Entwicklung des Energiesektors im Rücken werden wir den Weg in die Zukunft entschlossen weitergehen. Jetzt aber mal mit Schub. Es herrscht großer Handlungsdruck in Bezug auf die Energiewende. Umso wichtiger sind die klare Formulierung und kluge Priorisierung von Vorgaben durch die Politik. Wurde Mit der Definition des Klimapfads 2045 haben wir unserem Beitrag zur Wärme- und Energiewende einen Rahmen und Namen gegeben. Eingeschlagen haben wir diesen Pfad jedoch schon vor einiger Zeit. Mit den seitdem gesammelten Erfahrungen im Gepäck wissen wir nur zu gut: Die vor uns liegenden Aufgaben und Herausforderungen lassen sich meistern. Mit einem gemeinsamen Verständnis über Möglich- und Notwendigkeiten, großer Entschlossenheit, gesellschaftlicher Teilhabe und politischem Rückenwind. in der Vergangenheit noch oft der zweite und dritte Schritt vor dem ersten gemacht, gilt es nun, zunächst die großen Themen mit Weitsicht, Schnelligkeit und einem gewissen Pragmatismus anzugehen. So wird eine integrierte Planung innerhalb der Kommunen möglich und werden Ziele für alle Handlungsträger greifbar. Das setzt Kräfte frei, die nicht nur die Wohnungswirtschaft beflügeln, sondern zudem in anderen Bereichen eine Sogwirkung entfalten können. Hoch die Hände, Wärmewende. Sind die gesetzlichen Vorgaben das Fundament, dann ist die kommunale Wärmeplanung der Ausgangspunkt für alle darauf folgenden Maßnahmen im Gebäudesektor. Kaum ein Bereich verdeutlicht die Dringlichkeit stärker, zügig ins Entscheiden, Planen und Machen zu kommen. Der Wohnungsbau lebt von Investitionen, sei es nun im Neubau oder bei der Modernisierung. Sinnvolle Investitionsentscheidungen lassen sich jedoch nur treffen, wenn klar ist, wie die Wärme- und Stromversorgung auf kommunaler Ebene zukünftig aussehen wird. Die hohen Ziele machen es erforderlich, bei der Suche nach realitätsnahen Lösungen konstruktiv, vorurteilsfrei und flexibel vorzugehen. So wenig, wie beim Heizen die Wärmepumpe das Allheilmittel sein kann, so sehr ist bei der Stromerzeugung Offenheit gegenüber allen nicht-fossilen Energieträgern gefragt. Umdenken und Umverteilung sind dabei das Gebot der Stunde. Vor allem beim Strom werden sich Fortschritte erst durch neue Modelle und Kooperationen erzielen lassen. Hier verbergen sich auch für die Wohnungswirtschaft attraktive Möglichkeiten, aktiv zur Energiewende beizutragen und wirtschaftlich davon zu profitieren. Dreiklang im Einklang – nur gemeinsam geht’s. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen alle Beteiligten binnen kurzer Zeit ein gemeinsames Verständnis auf verschiedenen Ebenen erlangen und an einem Strang ziehen: Politik, Handwerk, Kommunen und Verwaltungen, Wohnungswirtschaft, Privatleute und auch die Kund:innen. Dabei die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Dimension zu gewährleisten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich immer mehr Menschen bewusst werden. Diese Übereinkunft im Denken gilt es zu nutzen und in konkretes Handeln zu überführen. Den dafür nötigen Rückenwind zu geben, wird eine Hauptaufgabe der Politik sein. Durch Gesetzgebung zum einen, durch wirtschaftliche Anreize zum anderen. Nur so kann bezahlbares Wohnen auf Dauer sichergestellt, können Menschen auf dem Weg in die Zukunft mitgenommen werden. Und dann wird die Energiewende gelingen – gemeinsam.
22 23 VOM GESETZ ZUM GESELLSCHAFTSZIEL Wie kann der Weg der Wohnungswirtschaft hin zur Energiewende aussehen? „Es ist ein Balance-Akt. Auf der einen Seite haben wir nicht den Luxus, noch lange zu überlegen und abzuwägen. Wir müssen vorankommen und einiges aufholen. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht in Hektik verfallen und den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Wir müssen vieles ausprobieren, offen bleiben, neue Modelle und Kooperationen entwickeln und auch bereit sein, pragmatische Entscheidungen zu treffen. Die Bestandserneuerung kann ein wichtiger Teil der Energiewende sein. Was es braucht, ist vor allem schlagkräftige Förderung. Nur dadurch kann bezahlbares Wohnen in Zukunft sichergestellt werden.“ Worin sehen Sie die Gründe dafür, dass Deutschland bei der Energiewende hinterherzuhinken scheint? „Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren auf seinem Wohlstand ausgeruht und dadurch einige Züge Richtung Zukunft verpasst. Die Solarindustrie zerschlagen, Kohle subventioniert, Wohlstandgeschenke vergeben – das Geld wurde vor allem konsumtiv ausgegeben. Andere Länder, wie beispielsweise Norwegen, haben da klüger, nämlich investiv agiert und stehen bei der Energiewende jetzt weit vorn. Da sind wir momentan abgehängt. Aber ich sage auch: Es ist seit einiger Zeit eine große Bereitschaft in Politik und Wirtschaft zu erkennen, die Dinge zu ändern und energisch voranzutreiben.“ Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung der gwg ein? „Es ist ja ganz klar: Die Bäume werden auch für unser Unternehmen nicht in den Himmel wachsen. Aber es wird weiterhin Bäume geben. Wir sind da sehr entschlossen. Beim Pflanzen muss die Politik mit klugen Entscheidungen helfen – und beim Gießen mit überlegter Förderung.“ Wolfgang Renner, Prokurist und Ressortleiter Portfoliomanagement und Finanzierung Fragen an Wolfgang Renner.
24 25 Das moderne, urbane Wohnen ist bisher mit einer schweren Hypothek für die Umwelt verbunden. Kaum ein anderer Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich hat einen so großen ökologischen Fußabdruck, ist so stark von fossilen Energie- quellen abhängig und verbraucht für seine Produktion und die tägliche Nutzung so viele nicht regenerierbare Ressourcen wie das Bauen und Wohnen. Dieser Bereich verursacht etwa ein Drittel der deutschen Treibhausgase. Herausforderung Klimaneutralität. Dr. Dieter Läpple, Professor em. für Stadtökonomie und Internationale Stadtforschung an der HafenCity University Hamburg Bei der Herstellung, Errichtung und Nutzung von Hochbauten entstehen nach einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung 40 Prozent der nationalen Treibhausgas-Emissionen. Der Handlungsbedarf ist evident. So ist es angesichts des Klimawandels nicht mehr tragbar, Millionen Tonnen Abrissmaterial und damit auch graue Energie als „Abfall“ auf überbordende Mülldeponien zu entsorgen und gleichzeitig Kies aus Schottland oder Norwegen für Neubauten zu importieren. Die Bundesregierung unterstützt das Programm „Fit for 55“ der EU, wonach bis 2030 der Treibhausgas-Ausstoß von Gebäuden (im Vergleich zu den Werten von 1990) um 55 Prozent gesenkt werden soll und bis 2045 alle Gebäude klimaneutral sein sollen. Auch die gwg Wuppertal geht diesen Weg und will bis zu diesem Zeitpunkt die Klimaneutralität erreichen. Weil die durch den Energieverbrauch verursachten Emissionen voraussichtlich nicht komplett reduziert werden können, werden zur Kompensation Dächer und Fassaden begrünt sowie Bäume gepflanzt und Grünanlagen angelegt. Null-Emissionen bis 2045 zu erreichen ist eine große Herausforderung. Damit rückt neben die riesige Aufgabe eines klimaneutralen Neubaus von Wohnungen das vielleicht noch viel anspruchsvollere Feld der energetischen Sanierung des Bestands ins Blickfeld. Von den 204 Mio. €, die die gwg in den kommenden zehn Jahren in den Wohnstandort Wuppertal investieren will, sollen rund 116 Mio. € für die Modernisierung ihres Bestandes inklusive Aufwendungen für die Maßnahmen zur Energiewende verwandt werden. Bereits 2019 hat die gwg vermeldet, dass sie durch die Modernisierungen ihres Wohnbestandes die Emissionen um mehr als die Hälfte reduziert hat. Das sind wichtige Meilensteine, aber weitere werden folgen müssen, sowohl bei der gwg als auch deutschlandweit. In den vergangenen zehn Jahren wurden 0,8 bis 1 Prozent der Wohnungen energetisch saniert. Sollen die Klimaziele erreicht werden, muss diese Quote mindestens auf 2 Prozent verdoppelt werden. VOM GESETZ ZUM GESELLSCHAFTSZIEL
26 27 Matthias Keller, Stabsstellenleiter Soziales Immobilien- management Es geht um mehr als nur die Wurst. QUARTIERSBILDUNG
28 29 QUARTIERSENTWICKLUNG „Der Fokus auf die Dekarbonisierung darf nicht davon ablenken, dass Verbrauchsreduzierung ein wichtiges Thema bleibt.“ Matthias Keller, Stabsstellenleiter Soziales Immobilienmanagement Du und ich, wir alle. Es ist ein schöner Sommertag im Juni 2023 in der Agnes-Miegel-Straße. Auf dem Hof des Gebäudes mit der Nummer 20 haben sich Menschen verschiedener Altersklassen und Nationalitäten versammelt. Sie alle eint: Die Agnes-Miegel-Straße ist ihr Quartier. Und so merkt man dem geselligen Beisammensein auch schnell an, dass hier etwas gewachsen ist: eine Gemeinschaft. Man kennt sich, man schätzt sich, man hilft sich. Und wenn sich die Wege bislang noch nicht kreuzten, lernt man sich eben jetzt zwischen Gesprächen, Gelächter und kühlen Getränken kennen. Auf dem Grillfest herrscht ein reger Austausch. Ein Thema ist dabei natürlich die bevorstehende Modernisierung des Quartiers. Modernisierung – und dann? Im Frühjahr 2024 soll es losgehen. Das Haus 26 macht den Anfang, weitere Gebäude folgen Schritt für Schritt. Die allgemeine Haltung der Mieterschaft? Durchaus gemischt. Es herrscht zwar Vorfreude auf die geplanten Veränderungen und die damit verbundene wachsende Attraktivität des Quartiers. Doch natürlich werden auch Bedenken geäußert. Wie genau werden die Umbauten stattfinden? Mit welchen Einschränkungen ist zu rechnen? Können wir uns unsere Wohnung danach noch leisten? Welchen Einfluss wird die Modernisierung auf die Gemeinschaft haben? Fragen wie diese brennen den Menschen auf den Nägeln. Wie gut, dass zu den Gästen des Festes auch Vertreter der gwg gehören. Da können am Grill auch direkt die heißen Themen besprochen werden. Und so gibt’s zum Würstchen neben Senf und Ketchup auch noch Antworten. Am Ende gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass es angesichts der Dimension der notwendigen Veränderungen nicht möglich sein wird, alle Wünsche der Kund:innen zu erfüllen. „Meine Straße, mein Zuhause, mein Block“. Sogar Berliner Rapper wissen: Identifikation ist der Schlüssel zu einem intakten Quartier. Das gilt nicht nur für die AgnesMiegel-Straße. Sich gefragt und gehört fühlen, sich einbringen zu können und als Teil einer Gemeinschaft zu verstehen, sind Bedürfnisse vieler unserer Kund:innen. Für uns als Wohnungsbaugesellschaft ergeben sich daraus wichtige Anknüpfungspunkte, an denen wir identifikationsstiftende Angebote festmachen können – angefangen beim ständigen Kontaktangebot per Telefon-, Mail- und Rückruf-Services über Feierlichkeiten, Seniorentreffs und Frühstücksrunden, weiter über offene Treffs für Kinder und Jugendliche, Hausaufgabenbetreuung und Ferienprogramm mit tollen Ausflugszielen bis hin zu ehrenamtlichem bzw. entlohntem Engagement bei der Quartiers-Betreuung. All das und mehr fördert die Gemeinschaft, stiftet Vertrauen und schafft ein Gefühl von Zuhause. Zudem ermöglicht es den Zugang zu Mietergruppen, die sich sonst schnell außen vor fühlen könnten. Ein wichtiger Aspekt der Quartiersbildung ist eben auch die Prävention, der wir uns je nach Quartier in besonderem Maße widmen. Viel Reden hilft viel. Viel Zuhören noch mehr. Um bei allen Kommunikationsmaßnahmen und Angeboten zur Teilhabe die Mieterstruktur, kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren, familiäre Gegebenheiten und individuelle Bedürfnisse berücksichtigen zu können, setzen wir auf Erreichbarkeit und Nähe. Erst der alltägliche Austausch, das Ernstnehmen von Problemen und Annehmen von Vorschlägen ermöglichen es uns, für jedes Quartier passende organische Lösungen zu finden. Dabei auf die Erfahrungen und das Engagement unserer Kund:innen bauen zu können, ist für uns ein großer Gewinn. So lassen sich, ganz in ihrem Sinne, kleinere Probleme auch mal schnell und pragmatisch lösen. Und wir von der gwg sind immer ganz nah dran und zur Stelle – nicht nur, wenn es um die Wurst geht. Energiewende, Modernisierung, Gentrifizierung, Integration, Sozialisation, Mieterstruktur: bei der Quartiersbildung und -entwicklung gilt es, verschiedenste Aspekte im Auge zu behalten – und dabei auch noch sehr genau hinzuschauen. Denn so wenig, wie ein Mensch dem anderen gleicht, so unterschiedlich sind auch die Gegebenheiten und Dynamik in den Quartieren. Um bei deren Entwicklung den passenden Ton und die richtigen Entscheidungen treffen zu können, braucht es ein stets offenes Ohr, eine Portion Pragmatismus – und immer mal ein Würstchen.
30 31 Das Grillfest in der Agnes- Miegel-Straße. QUARTIERSENTWICKLUNG Daniel Köster (unscharf im Vordergrund), stellvertretender Ressortleiter Immobilienmanagement, und Frank Konstanty (im Hintergrund rechts) im Gespräch mit Kund:innen im Quartier Agnes-Miegel-Straße. „Vor vier Jahren war das noch eine kleine Feier. Von Jahr zu Jahr kamen mehr dazu, und seit 2021 gehört auch ein großes Adventsgrillen zur Tradition. Es ist ein Phänomen hier im Haus: Man trifft zufällig jemanden und gerät sofort ins Plaudern.” Michael Schmidt, Mieter in der Agnes-Miegel-Straße, auf dessen Initiative ein regelmäßiges Grillfest im Quartier stattfindet.
32 33 „Obwohl wir erst seit zwei Jahren hier leben, ist die Agnes-Miegel-Straße schon unser richtiges Zuhause. Die Hausgemeinschaft ist super!” Helena Thum, Mieterin Frank Konstanty (im Anschnitt) und Daniel Köster im Gespräch mit Mietern beim Grillfest. Best Practice Quartiersbildung. Unsere Kund:innen in der Agnes-Miegel-Straße grillen gemeinsam. QUARTIERSENTWICKLUNG
34 35 Soziale Verantwortung wahrnehmen. QUARTIERSENTWICKLUNG Bezahlbares Wohnen, die nachhaltige Schaffung eines lebenswerten Zuhauses, ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit. Die Versorgung mit angemessenem Wohnraum ist von existenzieller Bedeutung für die Menschen. Diese Aufgabe zu bewältigen, ist in jüngster Zeit äußerst herausfordernd geworden. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Entwicklung der Energiepreise, Lieferkettenprobleme, exorbitante Kostensteigerungen bei vielen Baumaterialien und der Anstieg der Finanzierungskosten, er Rohstoff- und der Fachkräftemangel bestimmen die Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft und auf dem Wohnungsmarkt. Auch wenn diese Faktoren zu guten Teilen nicht durch gesellschaftliches oder staatliches Handeln beeinflussbar sind, dürfen wir nicht ins Nichtstun verfallen. Dort, wo wir Einfluss ausüben und verantwortlich handeln können, müssen wir dies tun – im sachlichen und konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten am Bau- und Planungsprozess. So geht es um die Mobilisierung von weiteren Flächen in den Wachstumsregionen, um ressourcenschonende höhere bauliche Dichten, um die fortgesetzte Vereinfachung von Planrecht und regulierenden Normen oder eine verlässliche öffentliche Wohnungsbauförderung unabhängig vom Kapitalmarktzins, die auch mit neuen Angeboten den sozialen und klimaeffizienten Neubau unterstützt. Kurz: Es geht um die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau, um Planungssicherheit für Investoren und die Bauindustrie. Denn wir müssen wieder kostengünstiger bauen. Als größter Vermieterin in Wuppertal kommt der gwg eine besondere soziale Verantwortung zu. Angemessenes und bezahlbares Wohnen als Grundbedürfnis zu gewährleisten, diese Haltung prägt die gwg. Rund 30 Prozent der von ihr angebotenen Wohnungen sind öffentlich gefördert. Zur sozialen Verantwortung gehören aber nicht nur die Schaffung von bezahlbarem neuen Wohnraum und die Modernisierung des Bestandes, beides auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und die Wärmewende, sondern auch die Unterstützung einer guten Nachbarschaft und die Schaffung eines lebenswerten Umfeldes. Unsere Gesellschaft wird älter und bunter. Der demografische Wandel, die Migration oder auch die Individualisierung der Gesellschaft prägen zunehmend das Zusammenleben in den Stadtquartieren und sind bisweilen mit Interessenkonflikten verbunden. Umso wichtiger ist es auch hier, Angebote für ein soziales Miteinander zu schaffen – soziale Stabilität in den Quartieren durch Mitmach-Aktionen, Nachbarschaftsprojekte, Beratungsangebote und neue Wohnangebote für ältere Menschen oder Maßnahmen zum Konfliktmanagement, wie sie die gwg anbietet. Sich hier seiner sozialen Verantwortung zu stellen, zeichnet ein gutes Wohnungsunternehmen aus. Dr. Dorothee Stapelfeldt, von April 2015 bis Dezember 2022 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg
36 37 PERSPEKTIVEN, MACHBARKEIT, ENTWICKLUNG Oliver Zier, Geschäftsführer Wir machen Strecke.
38 39 PERSPEKTIVEN, MACHBARKEIT, ENTWICKLUNG Die Energiewende kommt nicht zum Nulltarif. Sie bedeutet eine nie da gewesene Flut an notwendigen Veränderungen binnen kürzester Zeit. Bei allem Tatendrang, Optimismus und den sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten: Am Ende des Tages müssen die entsprechenden Maßnahmen auch finanziert werden. Im Streben, eventuelle Mehrbelastung für unsere Kund:innen gering zu halten, suchen wir unentwegt nach Lösungen – und finden sie unter anderem in Kooperationen mit der freien Wirtschaft. Die Reise in die Zukunft der Energieversorgung gleicht einer Entdeckungsfahrt durch ein uns unbekanntes Land – allerdings ohne Navi und Landkarte. Wir kennen unser Ziel, wissen jedoch nicht genau, über welche Wege wir dorthin gelangen können. Was vor allem daran liegt, dass sie nie zuvor befahren wurden. Also heißt es: Aufs Ankommen fokussieren, keine Scheu vor Abfahrten und rechtzeitig umkehren, wenn sich ein Weg als Sackgasse herausstellt. Vor allem aber gilt: in Bewegung bleiben. Als Antriebsstoff dabei unverzichtbar: die finanziellen Mittel. So weit, so gut. Wenn man so will, befinden wir als gwg uns schon seit einiger Zeit gut auf der Strecke. Unser Ziel haben wir mit dem Klimapfad 2045 definiert. Wir fahren auf Sicht, umgehen Staus oder tragen dazu bei, diese aufzulösen, indem wir neue Routen einschlagen. Um bei der Energie- und Wärmewende voranzukommen, prüfen und testen wir immer wieder neue Ansätze: Sektorkopplung, Solarbedachung, Vertical Green, Dachbegrünung und vieles mehr – alles unter Berücksichtigung des Artenschutzes und natürlich der Finanzierbarkeit. Da kann es nur Stück für Stück vorangehen. Einnahmen durch intelligente Fahrweise. Unser Bestand von aktuell 759 Hausnummern lässt keinen anderen Weg zu, als einzelne Streckenabschnitte festzulegen und diese nach und nach zu meistern. So schauen wir für jedes einzelne Quartier: Welche Wärmeversorgung bzw. Energieversorgung wird aktuell genutzt? Welche zukünftige Lösung ist die jeweils beste und dabei preisgünstigste? Und wie lassen sich damit für uns neue Einnahmen erzielen? Ein naheliegender Gedanke: durch Selbermachen. Doch so einfach ist das nicht. Zahlreiche Business Cases brachten ein eindeutiges Ergebnis: Im besten Fall errichten wir als gwg PV- und Wärme-Anlagen selbst und vermarkten die damit selbst produzierte Energie direkt an unsere Kund:innen. Und wo sich dies als realisierbar herausstellt, da wird es auch umgesetzt werden. Allein: Bei der Menge an Gebäuden und dem damit hohen Bedarf an Energie trifft das Selfmade-Modell bald an seine Grenzen. Fahrgemeinschaften bilden. Hohe Investitionen zur Errichtung von Anlagen zur Energiegewinnung sind allein nicht stemmbar. Niemand hat die Kapazitäten und die Expertise, all das allein umzusetzen. Also braucht es neue Modelle, neue Kooperationen und ein neues Denken. Ein gelungenes Beispiel ist der in diesem Jahr erfolgte Schulterschluss zwischen Wohnungs- und Energiewirtschaft. Mit dem Zusammenrücken dieser beiden Zweige, welches auch bei den letzten Verbandstagen der Wohnungswirtschaft deutlich wurde, ergeben sich große Potenziale und Synergien. So planen wir mit den Wuppertaler Stadtwerken den Bau des größten Solarkraftwerks der Stadt. Schon mittelfristig könnte die Stromproduktion ein weiteres wirtschaftliches Standbein neben den Mieteinnahmen sein. Durch Projekte wie dieses tragen wir zur Energiewende bei und haben etwas, was wirtschaftlich für uns funktioniert und dabei unseren Kund:innen Vorteile bietet. Vorankommen fördern. Was für den Energiesektor gilt, trifft auch für den Bereich Bau zu. Ob Neubau oder Modernisierung: Bei drastisch steigenden Bauwerkskosten, allgemeiner Inflation und extremem Zinsanstieg kann der Antrieb nicht allein vonseiten der Wohnungswirtschaft und der Investoren kommen. Da die Miete mittelfristig nicht zur Refinanzierung von Baukosten ausreichen wird, ist gezielte Förderung durch die Politik unabdingbar. Die Energiewende braucht Durchschlagskraft. Ohne kluge Förderpolitik kein bezahlbares Wohnen. Es wird entweder unsozial oder nicht ökologisch – und schon stehen wir auf dem Weg zur Wende im Stau. Den Spagat hinzubekommen, daran müssen alle gemeinsam arbeiten. Wir sind dabei. Mit unserem großen Netzwerk in der Wohnungswirtschaft. Mit Kooperation aufseiten der freien Wirtschaft. Und mit bereits 86 Jahren Erfahrung auf der Straße und dem festen Blick aufs Ziel am Horizont. „Das Verständnis für selbstverant- wortliches Denken und Handeln hat bei uns auch intern noch mal einen großen Sprung gemacht.“ Oliver Zier, Geschäftsführer
40 41 PERSPEKTIVEN, MACHBARKEIT, ENTWICKLUNG Die digitale Mission. Mittelstand und Städte nehmen bei der digitalen und klimaneutralen Transformation eine Schlüsselrolle ein. Kleinere und mittlere Unternehmen sorgen für rund 90 Prozent der Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland. In Städten findet der Großteil der ökonomischen Aktivität statt und werden die höchsten CO2-Emissionen pro Kopf verursacht. Der Strukturwandel ist umfassend; es geht um nichts weniger als um eine grundlegende Umstellung der Produktions- und Lebensweisen: von fossilen zu klimaneutralen Energien, vom industriellen in das digitale Paradigma. Daher braucht es Anreize für Innovationen und Verhaltensänderungen, wie sie auch die gwg mit ihrer digitalen Roadmap bietet. Digitalisierung bedeutet im Kern, dass technologisch große Mengen an Daten erhoben und über den Einsatz von Algorithmen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dies ermöglicht die Vernetzung von Menschen und Maschinen und damit die Koordination und Synchronisation von Prozessen und Transaktionen in Echtzeit. Das ist eine immense Chance etwa für die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs. Ein Beispiel hierfür ist die smarte Steuerung der Energienachfrage. Erneuerbare Energien aus Wind und Sonne sind bislang nur schwer zu speichern. Damit sind sie nicht grundlastfähig, das heißt, sie können den Bedarf, der zu bestimmten Zeiten besteht, nicht sicher planbar decken. Ein gewisser Teil der Nachfrage könnte in einem sogenannten Smart Grid jedoch so gesteuert werden, dass Waschmaschinen oder Ladevorgänge von Elektroautos automatisch gestartet werden, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint und der Strom nicht nur am klimafreundlichsten, sondern zudem am preisgünstigsten ist. Digitale Technologien eröffnen der lokalen Wirtschaft also eine Fülle an neuen Geschäftsmodellen und Serviceleistungen, die einen hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert bieten. Regional tätige Unternehmen können selbst zu einem Treiber der digitalen Transformation werden, wie die gwg mit ihrer Digitalisierungsstrategie belegt, die Prozesse verschlankt, Ressourcen schont und zu einer Stärkung der Mieterbindung führt. „Digital und nachhaltig“ ist somit keine Zukunftsvision mehr. Es ist bereits heute überall möglich, setzt aber voraus, dass die privatwirtschaftlichen Unternehmen und die öffentliche Verwaltung sich viel stärker untereinander und miteinander vernetzen. Der Mittelstand hat sich immer wieder durch seine Innovationsfähigkeit behauptet. Er kann auch bei der digitalen Transformation zu einem wichtigen Treiber werden. Prof. Dr. Henning Vöpel, seit Oktober 2021 Direktor des Centrums für Europäische Politik (cep) in Freiburg
Zukunft. Jetzt. MACHEN
44 45 Jede Krise birgt auch Chancen. Diese zu erkennen, ist das eine. Sie zu nutzen, um Engpässe zu meistern und die Energiewende voranzutreiben, das andere. Dazu braucht es vor allem eines: Anpack-Mentalität. Diese haben wir nachweislich. „Probieren geht über studieren“ – diesem (inoffiziellen) Leitgedanken folgten zahlreiche Maßnahmen und Projekte, die wir in den letzten Jahren angeschoben bzw. umgesetzt haben. Mit Realitätsnähe und Weitblick, viel Tatendrang und vielen Ideen treten wir unter Nutzung interner und externer Expertise an, der Krise zu begegnen und das Fundament für die Energieversorgung der Zukunft zu legen. Im Folgenden stellen wir eine Auswahl von Projekten vor. „Es hat sich gezeigt: Eine Krise kann enorme, verbindende Kräfte freisetzen.“ Oliver Zier, Geschäftsführer MACHEN gwg Klimabudget. Um die Prüfung und Umsetzung verschiedener Projekte voranzutreiben, haben wir bereits in 2022 ein Klimabudget. Mit dem exklusiv für Energiewendemaßnahmen vorgesehenen Budget in Höhe von 600.000 € konnten wir bis dato bereits einiges bewegen. Neben der Ermöglichung verschiedener Kooperationen konnten wir unter anderem in der Hütter Str. 30 eine Hybridlösung vorbereiten. Deren erster Schritt wurde mit der Installation eines neuen Brennwertkessels mit einer Leistung von insgesamt 130 kW bereits abgeschlossen. Im nächsten Schritt wird hier ergänzend eine Wärmepumpe installiert. Solarkraftwerk Domagkweg. Für unser größtes Wohnquartier am Domagkweg haben wir in Kooperation mit den Wuppertaler Stadtwerken die Potenziale für Solarenergie untersucht. Hieraus wurde gemeinsam mit Ampeers Energy ein Konzept für eine klimaneutrale Energieversorgung dieses Viertels entwickelt. Darüber hinaus steht die Umsetzung eines wirtschaftlichen Betriebsmodells im Mittelpunkt, das unter anderem ein Vermarktungskonzept für Mieterstrom und die Versorgung mit Ladestrom für E-Mobilität beinhaltet. Mieterstrom-Pilotprojekt. Gemeinsam mit einem externen Dienstleister wurde im Herbst 2022 unser gesamter Bestand hinsichtlich der Umsetzung eines Pilotprojektes zum Mieterstrommodell untersucht. Die Planungen dafür laufen auf Hochtouren; die Entscheidung für den Start eines Projektes auf einem unserer Dächer wird noch im Jahr 2023 fallen.
46 47 Task Force Energie. Mit der Task Force Energie haben wir im Frühjahr 2022 ein Gremium geschaffen, welches sich wesentlicher Fragen der Energiewende annimmt. In den Aufgabenbereich der Task Force fallen zwei Felder: zum einen die Vorbereitung der technischen Umsetzung im Bereich Wärme/Strom (z. B. die Untersuchung der Heizanlagen hinsichtlich eines notwendigen hydraulischen Abgleiches und der Optimierung der Regelungsparameter) und zum anderen die Kommunikation rund um Energiekrise und -wende. Dazu sind wir schon früh auf unsere Kund:innen zugegangen, haben Rahmen und Räume für Informationen und Diskussionen geschaffen. Die Task Force wird ihre Arbeit fortsetzen und weiter an Bedeutung gewinnen. Innovative Nahwärmenetze. Um die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes der gwg voranzutreiben, mussten zunächst umsetzbare Projekte identifiziert werden. Dabei konnten wir sowohl auf die Expertise der Wuppertaler Stadtwerke als auch des Essener Energiekonzerns E.ON bauen. Nachdem das Gebäudeportfolio hinsichtlich möglicher Quartierspotenziale geclustert wurde, erfolgte die Analyse dieser Cluster in Bezug auf die Eignung für innovative Nahwärme-Netzlösungen. Im Anschluss daran konnten wir mögliche Energiekonzepte für die Dekarbonisierung technisch sowie wirtschaftlich bewerten. Smarte Thermostate. Um zu ermitteln, welchen Beitrag Transparenz und digitale Unterstützungsangebote auf die Reduzierung der Kosten und das Verbrauchsverhalten der Endverbraucher:innen leisten können, gingen wir mit dem Anbieter Tado in die Heizperiode 2022. Dazu wurden ausgewählte Wohnungen in den Liegenschaften Am Kalkofen 21a und 21b mit digitalen Heizkörperthermostaten ausgestattet. Mithilfe einer App können die Kund:innen nun die Thermostate individuell steuern. Informationsveranstaltungen. Von August bis Dezember 2022 boten wir unseren Kund:innen auf insgesamt fünf Veranstaltungen in den verschiedenen Quartieren wichtige Informationen zum Energiesparen (Anpassung des Nutzerverhaltens) sowie zu eventuell auftretenden Notlagen. Unterstützt wurden wir dabei von den Wuppertaler Stadtwerken. Zur Vorbereitung dieser Veranstaltungsreihe fand bereits im Mai 2022 eine exklusive Schulung unserer Mitarbeiter:innen zu den Themen Energiesparen und Mieterkommunikation statt. Serviceportal- und -App. Mit dem „Mein Zuhause – mein Service”-Portal haben wir in 2023 einen zusätzlichen, digitalen Kommunikationskanal für unsere Kund:innen geschaffen. Profitieren können diese unter anderem von einem 24/7 erreichbaren Kundenservice (ChatBot), einer vereinfachten, digitalen Schadenmeldung per App und einem Marktplatz inklusive Energiespar-Shop. Hier finden Kund:innen Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Energieversorgung und profitieren zudem von vergünstigten Tarifen bei verschiedenen Kooperationspartnern, beispielsweise im Bereich Umzugsservice. Bislang haben sich bereits 13 Prozent unserer Kund:innen für das Portal registriert – eine beachtliche Quote. Mietermagazin „Tür an Tür“. In einer Sonderausgabe des beliebten Mietermagazins „Tür an Tür“ setzen wir den Schwerpunkt auf das Thema Energiesparen. Durch die Vermittlung von Hintergrundinformationen möchten wir das grundlegende Verständnis unserer Kund:innen zu diesem Thema ausbauen. Gleichzeitig bieten wir viele wertvolle Ansatzpunkte und konkrete Tipps zur Einsparung von Wärme und Strom. In der regulären Ausgabe berichten wir über Veranstaltungen und Initiativen, die wir unseren Kund:innen anbieten, wie den Smartphone-Kurs in Kooperation mit der Feuchter-Stiftung. So werden langjährige Kund:innen höheren Alters fit für das digitale Zeitalter. MACHEN Edith Becker, Teilnehmerin des Smartphone-Kurses „Miteinander digital“ – eines Projekts des Landes NRW. „Ist ja ganz einfach.“ Edith Becker, Mieterin
48 49 Milan Gavric, Auszubildender Immobilienkaufmann MACHEN. Fragen an Milan Gavric. Wieso hast Du Dich für eine Ausbildung bei der gwg entschieden? „Weil mich die Zukunftsidee der gwg, insbesondere die geplanten Sanierungs- und Modernisierungsprojekte, sehr interessiert hat und ich an der Umsetzung mitwirken wollte. Ich kann hier verschiedene Abteilungen durchlaufen, was bei einem Wohnungsverwalter beispielsweise nicht möglich gewesen wäre. Und es passt natürlich, dass ich eine persönliche Verbindung zu Wuppertal habe. Hier bin ich geboren, ich habe sogar schon in einer gwg Wohnung gelebt.“ Wie läuft’s denn für Dich bei der gwg? „In den letzten zwei Jahren meiner Ausbildung konnte ich viel lernen und bereits Verantwortung übernehmen, insbesondere beim Projekt heidter carré. Momentan bin ich in der Marketing-Abteilung eingesetzt, wo ich mit einer Vielzahl von spannenden Themen in Berührung komme. Ich durfte an Terminen mit Herrn Zier teilnehmen, was eine tolle Erfahrung war. Insgesamt würde ich sagen: Es läuft sehr gut für mich bei der gwg.“ Wie hältst Du es selbst mit Umwelt- und Klimaschutz? „Das Thema Umwelt- und Klimaschutz ist auch hier allgegenwärtig. Mich fasziniert vor allem das große Engagement in Sachen Solarenergie. Die Nutzung von Solarenergie ist eine nachhaltige und umweltfreundliche Lösung, die ich sehr unterstütze. Die Dach- und Fassadenbegrünung hat ebenfalls mein Interesse geweckt, da sie nicht nur zur Verschönerung der Stadt beiträgt, sondern auch dabei hilft, die Umgebungstemperatur zu senken und das Stadtklima angenehmer zu gestalten.“
50 51 Die gwg wuppertal sagt Danke! Wir bedanken uns bei allen, die uns bei der Erstellung unseres Unternehmensberichts unterstützt haben. ID-Nr. 23148131 Herausgeber Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Wuppertal Dipl.-Kfm. Oliver Zier (Geschäftsführer) Hoeftstraße 35 42103 Wuppertal Fon 0202 9311 0 info@gwg-wuppertal.de Verantwortlich im Sinne des Presserechts Nenja Lindner (Stabsstellenleiterin Marketing und Unternehmensentwicklung) Fon +49 202 9311-102 lindner@gwg-wuppertal.de Copyright Die Beiträge dieser Ausgabe sind urheberrechtlich geschützt. Die Verwendung – auch auszugs- weise – ist nur mit Genehmigung der gwg wuppertal gestattet. Alle Rechte vorbehalten. Redaktion und Text khipu GmbH Stefan Henning Konzeption und Gestaltung khipu GmbH Bildnachweis Uwe Schinkel, Fotografie Marc Lewis Ramage, Illustration Druck Druckerei Hans Hitzegrad GmbH & Co. KG
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